Herzmuskelentzündung nach Corona-Impfung mit Biontech oder Moderna: US-Behörden beraten

 

  • vonPamela Dörhöfer

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US-Behörden beraten über Myokarditis (Herzmuskelentzündung) nach der Corona-Impfung mit mRNA-Vakzinen von den Herstellern Biontech/Pfizer und Moderna.

USA/Deutschland – Aus mehreren Ländern wurde in den vergangenen Monaten – wenn auch selten – von Herzmuskelentzündungen nach der Impfung mit mRNA-Vakzinen berichtet: Zunächst aus Israel, dann aus den USA, auch das Paul-Ehrlich-Institut hat aus Deutschland Meldungen dazu erhalten. Betroffen waren in der Mehrzahl junge Männer im Alter zwischen 16 und 30 Jahren. Ob die Corona-Impfung die Ursache ist, ließ sich bislang noch nicht eindeutig klären.

In den Vereinigten Staaten wollen die Gesundheitsbehörde „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC) und die Arzneimittelbehörde FDA nun in der kommenden Woche beraten, wie weiter mit diesem Thema umzugehen ist, berichtet das Ärzteblatt. Das geschieht spezifisch in den USA, weil dort in den vergangenen Wochen die Zahl der Meldungen von Myokarditis (der Fachbegriff für Herzmuskelentzündung) nach mNRA-Impfungen gestiegen sein soll. Konkret geht es um die Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna, die beide auf dieser Technologie beruhen.

Corona-Impfungen: Berichte über Nebenwirkungen

Bis Ende März sollen beim „Vaccine Adverse Event Reporting System“, in dem in den USA Nebenwirkungen von Impfungen dokumentiert werden, 789 Berichte über Myokarditis oder Perikarditis (Herzbeutelentzündungen) eingegangen sein, 488 betrafen den Impfstoff von Biontech/Pfizer, 301 den von Moderna.

Mehr als die Hälfte dieser Verdachtsfälle seien bei unter 30-Jährigen aufgetreten. „Von 285 Patienten, zu denen klinische Daten vorliegen, wurden 270 bereits wieder aus der Klinik entlassen, 15 befinden sich noch im Krankenhaus, davon drei auf der Intensivstation“, heißt es im Bericht des Ärzteblatts. Von den 270 entlassenen Personen hätten sich 180 inzwischen vollständig erholt.

Corona-Impfungen: Herzmuskelentzündung nach der zweiten Dosis

In den meisten Fällen trat die Herzmuskelentzündung nach der zweiten Impfung auf. Typischerweise fallen bei den mRNA-Vakzinen anders als bei Vektorvirus-Impfstoffen die Reaktionen nach der zweiten Dosis oft heftiger als nach der ersten aus. Das allein ist freilich noch kein Beleg dafür, dass es sich bei den berichteten Herzbeschwerden um eine Nebenwirkung der Impfung handelt. Allerdings soll in der Altersgruppe der 16- bis 17-Jährigen die Zahl der beobachteten Fälle mit 79 „deutlich über den erwarteten zwei bis 19 Fällen“ gelegen haben. In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen hätten den „acht bis 83 erwarteten Fällen“ 196 beobachtete gegenübergestanden.

„Diese Zahlen deuten darauf hin, dass die CDC in der nächsten Woche die Myokarditis als eine mögliche Impfkomplikation einstufen wird“, heißt es im „Ärzteblatt“. Die Häufigkeit könnte nach einer ersten Analyse aus den USA bei etwa 16 Fällen auf eine Million Impfungen mit der zweiten Dosis eines mRNA-Vakzins liegen.

In Israel halten die Behörden ebenfalls einen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff von Biontech/Pfizer – der in dem Land als einziger eingesetzt wird – und dem Auftreten von Herzmuskelentzündungen für möglich. Nach Angabe des israelischen Gesundheitsministeriums wurden zwischen Dezember und Mai bei mehr als fünf Millionen Geimpften 275 Fälle von Myokarditis nach der Impfung beobachtet. Laut einem Bericht im Magazin Science soll das Gesundheitsministerium davon ausgehen, dass in dem Land etwa einer von 3000 bis 6000 jungen Männern zwischen 16 und 24 Jahren nach der Impfung an einer Herzmuskelentzündung erkrankt ist. In den meisten Fällen soll diese aber mild verlaufen sein.

Corona-Impfungen: Sind Brustschmerzen, Kurzatmigkeit oder Herzklopfen aufgetreten?

Auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat in den vergangenen Wochen „zunehmend Meldungen über den Verdacht einer Myokarditis oder Perimyokarditis im zeitlichen Zusammenhang mit der Verabreichung von Covid-19-mRNA-Impfstoffen erhalten“, wie im aktuellen Sicherheitsbericht zu lesen ist. Demnach wurden dem Institut bis Ende Mai 92 Fälle von Herzmuskelentzündungen vor allem bei jungen Männern berichtet. Es fehle aber an Daten, um zu berechnen, ob die Zahl der gemeldeten Fälle höher sei, als „statistisch zufällig“ in dieser Altersgruppe zu erwarten gewesen wäre. Junge Patientinnen und Patienten mit akuten Brustschmerzen, Kurzatmigkeit oder Herzklopfen sollten „nach Covid-19-Impfanamnese sowie nach anderen relevanten Faktoren befragt werden“.

Das Paul-Ehrlich-Institut will die Berichte weiter untersuchen. Auch die Europäische Arzneimittelagentur Ema ist mit dem Thema befasst, dort seien bis Ende Mai laut Mitteilung der Behörde 122 Verdachtsmeldungen auf Myokarditis und 126 auf Perikarditis nach der Impfung mit Biontech/Pfizer eingegangen.

Corona: Nach der Impfung unbedingt schonen

Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen können vor allem nach Virusinfektionen etwa der Atemwege auftreten, insbesondere dann, wenn diese nicht richtig auskuriert wurden. Auch Infektionen durch Bakterien, Pilze oder Parasiten sowie Autoimmunerkrankungen können solche Komplikationen nach sich ziehen. Eine Entzündung des Herzmuskels geht nicht immer mit Symptomen einher und wenn doch, so sind die Beschwerden oft unspezifisch. Das macht es schwierig, eine Myokarditis rechtzeitig zu erkennen. Bemerkbar machen kann sie sich durch anhaltende Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Brustschmerzen oder unregelmäßigen Herzschlag; letzteres kann indes zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen.

Auch eine Herzinsuffizienz ist eine mögliche Folge einer Myokarditis. Gefährdet sind insbesondere Menschen, die einen Infekt verschleppen und sich nach der akuten Phase nicht ausreichend schonen, zum Beispiel zu früh wieder Sport treiben. In vielen Fällen heilt eine Myokarditis aber folgenlos aus.

Eine Herzbeutelentzündung kann mit Brustschmerzen, Fieber und beschleunigter Atmung einhergehen. Die Symptome können einer Lungen- oder einer Rippenfellentzündung ähneln.

Biontech verweist auf das positive Nutzen-Risiko-Profil

In einem Statement erklärte der US-Pharmakonzern Pfizer, es gebe keine Anzeichen dafür, dass die beobachteten Fälle durch die Impfung verursacht wurden. Beim deutschen Partner Biontech wies man darauf hin, dass das Nutzen-Risiko-Profil des Vakzins weiterhin günstig ausfalle. (Pamela Dörhöfer)

Corona-Impfungen: Aktueller Sicherheitsbericht

  • Bis zum 31. Mai wurden dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bei mehr als 50 Millionen Impfungen 79.106 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Komplikationen in zeitlichem Zusammenhang mit der Corona-Impfung gemeldet. 34870 betreffen den Impfstoff von Astrazeneca, 34.735 den von Biontech/Pfizer, 8319 den von Moderna und 733 den von Johnson & Johnson. Die Melderate betrug für alle Impfstoffe zusammen 1,6 pro 1000 Impfdosen.
  • Schwerwiegende Reaktionen wurden bei 0,2 von je 1000 Impfdosen gemeldet (8134 Verdachtsfälle). Ein tödlicher Ausgang wurde bei 1,1 Prozent der Einzelfallmeldungen Dokumentiert, das mittlere Alter betrug 77 Jahre. Die Mehrzahl davon hatte multiple Vorerkrankungen.
  • Thromboembolische Ereignisse: Sie wurden 1163 Mal verzeichnet: 860 nach Astrazeneca, 735 nach Biontech/Pfizer, 68 nach Moderna. Dazu zählen Lungenembolien, tiefe Beinvenenthrombosen, aber auch Hirnvenenthrombosen als Folge eines TTT-Syndroms.
  • TTS-Syndrom: Hinter diesem Begriff verbergen sich Thrombosen in Kombination mit einer Thrombozytopenie, einem Mangel an Blutplättchen. Diese Komplikation wurde „sehr selten“ (106 Fälle) als Nebenwirkung von Vektorimpfstoffen (Astrazeneca, Johnson & Johnson) gemeldet. Es ergebe sich eine Gesamtmelderate von 1,24 auf 100.000 Erstimpfungen mit Astrazeneca, heißt es. Allerdings geht das PEI von einer Dunkelziffer aus und vermutet, dass diese Zahl „eine deutliche Unterschätzung des Risikos“ darstellt. Das PEI hat Kenntnis über 21 tödliche Verläufe in Deutschland. Betroffen sind und Männer aller Altersgruppen. „Bislang konnten keine spezifischen Risikofaktoren für die Entstehung von TTS identifiziert werden“, heißt es . Anfangs war vermutet worden, dass jüngere Frauen ein erhöhtes Risiko haben.
  • Blutungen: 650 Fälle von Blutungen unterschiedlicher Lokalisation wurden nach Impfung mit Astrazeneca berichtet, darunter leichte wie Hämatome, aber auch einzelne Fälle „fulminanter Hirnblutungen“. Nach der Impfung mit Biontech/Pfizer wurden 183 Fälle von Blutungen berichtet, nach Moderna 30.
  • Guillain-Barré-Syndrom: Dabei handelt es sich um eine akute Entzündung des peripheren Nervensystems mit der Folge einer aufsteigenden Lähmung. In den meisten Fällen verschwinden die Symptome wieder, es kann aber auch zu bleibenden Schäden kommen. Es wurden 24 Fälle sowie zwei Fälle des verwandten Miller-Fisher-Syndroms nach Impfung mit Astrazeneca gemeldet. Betroffen waren Frauen und Männer im Alter zwischen 34 und 79. Zehn Fälle wurden nach Impfung mit Biontech/Pfizer gemeldet, in fünf weiteren Fällen habe sich eine bestehende Neuropathie verschlechtert. Nach Moderna wurden zwei Fälle gemeldet. Es seien nach Astrazeneca mehr Fälle gemeldet worden „als aufgrund der Anzahl geimpfter Personen zufällig erwartet wurde“. Ob es sich um ein „neues Risikosignal“ handeln könnte, wird weiter vom PEI untersucht.
  • Myokarditis und Perikarditis: Siehe obigen Bericht.
  • Anaphylaktische Reaktionen: Solche schweren allergischen Reaktionen wurden sehr selten nach der Impfung mit einem der beiden mRNA-Vakzine wie auch mit dem Vektorimpfstoff von Astrazeneca berichtet. Insgesamt gingen 293 Meldungen ein, die meisten Betroffenen sind Frauen.
  • Enzephalitis: Es wurden 13 Fälle dieser seltenen Gehirnentzündung gemeldet, die nach einer Infektion mit Viren, Bakterien oder Parasiten oder als Autoimmunerkrankung auftreten kann. Acht Meldungen gab es nach Impfung mit Astrazeneca und fünf nach Impfung mit Biontech/Pfizer. Betroffen sind sieben Frauen und ein Mann. pam